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Die Evangelische Kirche in Hirschhausen

Die evangelische Kirche erhebt sich auf einem Hang inmitten von Hirschhausen und ist bereits aus der Ferne als Bekrönung des Ortsbildes zu erkennen. Der quadratische Zentralbau mit abgeschrägten Ecken, schiefergedecktem Zeltdach und Dachreiter mit Haubendach wird von der alten Kirchhofmauer aus großen Bruchsteinen umgeben. Bis auf die Eingangsseite öffnen hohe Rundbogenfenster mit Werksteingewänden die ansonsten ungegliederten Mauerflächen. Die Kirche, die 1763/64 errichtet wurde, stellt eine architektonische Besonderheit im heimischen Raum dar, da es keinen anderen Sakralbau im alten Amt Weilburg in vergleichbarer Form gibt.

Die Entstehungsgeschichte der Kirche

Evangelische Kirchengemeinde Kubach-Hirschhausen

Bereits 1757 teilt die Gemeinde von Hirschhausen dem Amt Weilburg mit, dass sie eine eigene Kirche in ihrem Ort erbauen möchte. Zwei hier ansässige Handwerker, der Maurermeister Adam Mehl sowie der Zimmermann Alexander Glockner hatten bereits eine (nicht erhaltene ) Bauzeichnung und eine Kostenübersicht gefertigt, die offenkundig eine Fachwerkkirche vorsah. Diese Planungen konnten jedoch wegen der Unruhen und Verarmung, die der Siebenjährige Krieg (1757-1763) mit sich brachte, nicht verwirklicht werden. 

So verfasste die Gemeinde am 20. Februar 1761 ein weiteres Gesuch, um ihr Bauvorhaben voranzubringen. Zwei Gründe werden in dem Anschreiben genannt: Zum einen war der Weg bis zur nächsten Kirche, die in dem circa 4 Kilometer entfernten Kubach lag, sehr weit und vor allem im Winter sehr beschwerlich und hielt viele ältere oder kränkliche Leute vom Kirchgang ab. Zuma anderen musste die Hirschhausener Einwohnerschaft für die Kubacher Kirche und das dortige Pfarrhaus Unterhaltszuschüsse leisen, die dann eingespart würden. Am 20.September des gleichen Jahres erhielt der „fürstliche Lustgärtner“ Sckell den Auftrag des fürstlichen Consistoriums, „vorerst in dem Dorf einen schicklichen Platz auszusuchen, sodann eine Zeichnung von einem, nach der dermaligen stärke der Gemeinde, und mit Rücksicht auf einige künftige Vermehrung derselben einen räumlichen Kirchenbau, zu fertigen, und zugleich, (..) auf das genaueste zu berechnen“. Leider ging die Planzeichnung verloren, der erhaltene Kostenvoranschlag weist Baukosten in Höhe von 2862 Gulden 59 Kreuzer aus, wenn die Arbeiten alle an Bauhandwerker vergeben werden. Falls die Gemeinde Teile der Arbeiten und benötigten Materialien jedoch selbst beitrage, verringere sich der Kostenanschlag auf 1987nGulden 30 Kreuzer. Der Baubeginn zog sich jedoch noch etwas hin, da erst die Finanzierung des Bauers gesichert sein musste.

Da die Gemeinde klein ist und nur über äußerst geringe Mittel verfügte, musste man erst Geld ansparen, um mit den Bauarbeiten anfangen zu können. Um überhaupt an Einnahmen zu kommen, hatte die Gemeinde beschlossen, einen Teil des Feuerholzes, welches jedem Hirschhausener Haushalt als Brennholz jährlich aus dem „gemeinsamen Loos“ (zum allgemeinen Unterhalt) des Gemeindewaldes zustand, zurückzuhalten und durch Reiser und Stöcke zu ersetzen. Das nicht verbrauchte „Klafter- Holz“ wurde verkauft und der Erlös zum Kirchbau angespart. Auch die umliegenden Gemeinden versprachen Bauholzspenden und Transporthilfen. So konnte am 15. Juni 1763 endlich der Grundstein gelegt werden. Bereits einen Monat früher war eine Vereinbarung mit dem Pfarrer von Kubach, Johann Friedrich Gerst, getroffen worden, in der dieser sich bereit erklärte, für eine Jahresentgeld von 20 Achtel Getreide sowie dreißig Pfund gehechelten Flachs alle Sonn-, Bet- und Feiertage in Hirschhausen Gottesdienst zu halten( ein Achtel Weilburger Maß entsprachen 24 Liter bzw. 24 dm³).  Die Endabrechnung des Kirchenbaus betrug 2753 Gulden 27 Kreuzer und 2 Albus (Weißpfennige), in dieser Summe war sogar der Anschaffungspreis der ersten Glocke von ca. 123 Gulden enthalten. Welch gewaltige Belastung der Kirchenbau für das Dorf war, ergibt sich aus einem Gesuch an Carl von Nassau (1735-1788) vom Februar 1764, in dem die Gemeinde um einen Erlass der herrschaftlichen Abgaben bzw. einen direkten finanziellen Zuschuss bittet. Der Fürst entsprach der Bitte und spendetet 550 Gulden aus seiner Privatschatulle zu dem Kirchenbau.

Die Architektur der Kirche

Wie bereits angedeutet, ist die Grundform der Kirche in der hiesigen Gegend einzigartig, direkte Vorbilder gibt es nicht. In der Zeit ab 1700 wurden im nassauischen Raum- wie etwas auch ab 1783 im Nachbarort Kubach- mit Vorliebe quergerichtete Sakralbauten nach dem Vorbild der Schlosskirche in Weilburg errichtet. Jedoch gab es ein profanes Bauwerk in unmittelbarer Nähe Hirschhausens mit einem Zentralbau. Diese war ein barockes Jagdhaus im Tiergarten, welches 1732 von einem holländischen Baumeister im Auftrag des Fürsten Carl August (Regierungszeit 1719-1753) geplant worden war. Es besaß einen achteckigen Hauptbau, der von zwei etwas niedrigeren rechteckigen Flügelräumen flankiert wurde (1916 abgebrannt). Inwieweit dieser Bau aber wirklich die Grundidee geliefert haben mag, auch einen Zentralbau in Hirschhausen zu errichten, muss Spekulation bleiben, da die Unterschiede zwischen beiden Architekturen letztlich doch sehr groß sind.

Der Architekt

Aufgrund der erhaltenen und neu durchgesehenen Quellen des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden kann nun als Architekt eindeutig der fürstliche Lustgärtner und Bauinsprektor Johann Friedrich Sckell (geb. 1725 in Reckahn, gest. 1810/1815?) benannt werden. Er entstammt einer weit verzweigten Gärtner- und Künstlerfamilie, deren Mitglieder vor allem an den Höfen Mittel- und Süddeutschlands wirkten. Sein in späteren Jahren geadelter Neffe Friedrich Ludwig von Sckell war Begründer des klassischen Landschaftsgartens in Deutschland und gestaltete u.a. den Englischen Garten in München sowie den Nymphenburger Schlosspark. Johann Friedrich Sckell selbst war seit 1746 Weilburg- Nassauischer Gärtner; 1750 ist er als Hofgärtner in Neu-Saarwerden und auf dem Windhof bei Weilburg nachgewiesen; ab 1773 ist er Nassau-Oranischer Hofgärtner und Bauinspektor im Fürstentum Dillenburg und der Herrschaft Beilstein. IN Weilburg war Sckell verantwortlich für die Errichtung der Ehem. Zucht- und Arbeitshause (Vorstadt 24) sowie den Bau der steinernen Brücke in den Jahren 1765 bis 1769.

Der Innenraum

Das Kircheninnere, das bereits durch seinen achteckigen Grundriss sehr geschlossen ist, wird durch die rings umlaufenden Emporen über marmorierte Stützen noch stärker zusammengefasst. Die graublau grundierten Brüstungen sind mit aufgemalten Girlanden und Engelsköpfen verziert, die bei der Sanierung von 1953 stark überfasst wurden. Der Kanzelaltar ist direkt in die Emporenzone einbezogen.

Der Altar selbst steht um zweieinhalb Stufen erhöht auf einem Podest, das von Altarschranken mit Brettbalustern zum Kirchenraum hin abgegrenzt wird. Seitlich der kleinen mit einer marmornen Platte bedeckten Altarmensa sind verglaste Paneele und zwei Türen, die zu der dahinter liegenden Kanzeltreppe führen. Die vertikale Anordnung von Altar und Kanzel, die von der Wichtigkeit der Predigt im evangelischen Gottesdienst zeugt, blickt auf eine sehr lange protestantische Tradition zurück und findet sich erstmals in der Schloßkirche vorn Torgau 1540. Der polygonale Kanzelkorpus ist mit vergoldeten Schmuckpilastern besetzt, der niedrige Schalldeckel zeigt eine Schnitzbordüre. Einzigartig jedoch ist die große, glockenförmig ausgeschnittene und als Baldachin bemalte Holzwand, die die Kanzel hinterfängt und diese zum hauptsächlichen Blickziel der Kirche macht.

Links der Kanzel ist eine barocke Schnitzerei angebracht, die innerhalb eines Lorbeerkranzes einen ausgestreckten Arm mit einem Kreuz in der Hand zeigt. Es könnte sein, dass die Hand ursprünglich vielleicht eine Sanduhr als „Memento Mori“- Zeichen ( „Gedenkt des Todes“) vorwies. Oberhalb des Armes tragen zwei Putte ein vollplastisches Krönchen über einem verschlungenen Monogramm. Wahrscheinlich sind es die Initialen von Fürst Car Christian von Nassau- Weilburg und seiner Frau Caroline von Oranien- Nassau, die dieses Objekt wohl zur Einweihung der Kirche gestiftet haben. Die Lehmstakendecke zeigte ursprünglich in der Mitte eine Heiliggeisttaube im Strahlenkranz. 1953 wurde sie von einem Blitzschlag stark beschädigt, so dass sie erneuert werden musste und danach mit einer stilisierten Sonne bemalt wurde. Seitlich sind zwei klein Öffnungen in der Decke, durch die ursprünglich die Glockenseile herabhingen. 

Die Orgel

1792 wurde die erste Orgel der Kirche eingebaut, jedoch musste man bereits fünf Jahre später den Orgelbalg reparieren. Im November 1889 wurde dieses Instrument durch eine neue Orgel mit schlichtem neoklassizistischem Prospekt aus der Werkstatt Gustav Raßmanns aus Möttau ersetzt. Sie kostete damals 1.875,- Mark und besitzt sieben Register:  Prinzipal 8´, Gedackt 8´,  Flöte 4´, Octave 4,´ Doublette 2 2/3´, Subbaß 16´.

Die Glocken

Die erste Glocke der Kirche wurde für 123 Gulden 9 Kreuzer in einer Glockengießerei in Frankfurt angefertigt. Sie wurde im 1. Weltkrieg abgegeben und eingeschmolzen. Das gleiche Schicksal erlitten auch die beiden großen Glocken, die 1922 von der Glockengießerei Rincker in Sinn geschaffen worden waren- auch sie mussten kriegsbedingt 1942 abgebeben werden. Im August 1951 wurde eine neue Glocke eingeweiht. Sie trägt die Inschrift: „Zum Andenken an die Gefallenen 1939-45“ und steht heute auf einem Backsteinsockel vor der Kirche. 1980 war sie durch zwei große Glocken von Rincker ersetzt worden, zu denen sich noch eine dritte kleine Glocke gesellt, die aus der ehem. Wallfahrtskirche Pfannstiel stammen soll, die von Hirschhausen nur ca. 2 Kilometer entfernt war.

Das Kriegerdenkmal

Das Kriegerdenkmal 1923 wurde südwestlich der Kirche eine stattliche Ehrensäule aus Granit für die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten aufgestellt. Auf der gedrungenen Säulentrommel erhebt sich ein Kapitell mit Adlern als Symbol der Tapferkeit. Eine lorbeerumwundene Kugel mit einem eisernem Kreuz bekrönt das Denkmal. Nach 1945 wurde die hinter der Säule liegende Kirchhofmauer zu einer Gedenkstätte für die Opfer des 2. Weltkrieges umgestaltet.

 

Text: Dr. Verena Fuchß

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